»Ach! Reden über die Liebe«

Erich Fried Tage vom 28. November bis 3. Dezember im Literaturhaus Wien

»Ach!«, seufzt Mrs. Winterson schmallippig, denn die Adoptivtochter Jeanette hat sich wieder einmal schlecht benommen. »Ach!«, malt Ulli Lust auf Papier und es wird zum lustvollen Stöhnen. Der gealterte Künstler aus Kureishis The Nothing stößt ein gepresstes »Ach!« hervor, denn quälende Eifersucht verzehrt seinen verbrauchten Körper, während Sophia Kennedy mit einem großartigen »Ach!«-Schrei ihre neue Liebe besingt … diese und viele andere Facetten, Formen und Farben von Liebe stehen auf dem Programm des Internationalen Literaturfestivals Erich Fried Tage im Jahr 2017:

Dienstag, 28. November 2017
Den Eröffnungsvortrag hält eine britische Autorin, die für ihren bestechenden Geist, scharfen Witz und die kraftvolle poetische Sprache bekannt ist – die Rede ist von Jeanette Winterson, deren autobiografisch geprägter Debütroman Oranges are Not the Only Fruit (1985, dt. Orangen sind nicht die einzige Frucht, 1993) über das Aufwachsen bei einer fanatisch religiösen Adoptivfamilie den literarischen Durchbruch gebracht hat.

Mittwoch, 29. November 2017
More Eros, less Thanatos überschreibt Peter Greenaway seine Film-Lecture, die den Betrachter einlädt, den britischen Regisseur, Experimentalkünstler und Drehbuchautor auf seinem erotischen Streifzug durch ein mehr als drei Jahrzehnte umspannendes und in jeder Hinsicht singuläres Filmschaffen zu begleiten. Im zweiten Teil des Abends zeigt das Filmcasino – als Österreichpremiere – Peter Greenaways Spielfilm Goltzius & The Pelican Company (2012) basierend auf dem Leben des niederländischen Malers und Kupferstechers Hendrick Goltzius.

Der nächste Festivaltag, Donnerstag, 30. November 2017, widmet sich Neuerscheinungen aus dem Genre von Prosa und Essay.
Peter von Matt, »ein Zen-Meister unter den Germanisten« (SRF 2), präsentiert seinen neuen Band Sieben Küsse (Hanser, 2017), ein Buch über maßlose, irrtümliche und innige Küsse der Literaturgeschichte.
Zsuzsa Bánk liest aus ihrem Roman Schlafen werden wir später (S. Fischer, 2017), der von der tiefen Freundschaft zweier Frauen handelt, die einander – durch ihre Wohnsitze räumlich getrennt – in E-Mail-Briefen »radikal subjektiv« begegnen. Die norwegische Autorin Hanne Ørstavik kommt mit ihrem erstmals auf Deutsch erschienenen Schlüsselroman Liebe, einer fein gesponnenen Mutter-Sohn-Geschichte nach Wien. Zum Abschluss liest der Großmeister der modernen britischen Literatur Hanif Kureishi aus dem Geschichten- und Essayband Love + Hate (2015) sowie aus dem noch druckfrischen Roman The Nothing (2017) über die Abgründe, in die ein alternder Mann blickt, als ihn seine junge Frau zu verlassen droht.

Freitag, 1. Dezember 2017, steht unter dem Motto Lyrik / Lyrics
Das dichte Programm zum Tagesschwerpunkt beginnt mit einer Roundtable Diskussion – u. a. mit Judith Nika Pfeifer (A) und Sylvia Geist (D) – zum Thema und setzt mit einem hochkarätig besetzten Liebeslyrik Programm fort: Es lesen die Dichterfürst/inne/en Oswald Egger (I / D), Friederike Mayröcker (A) und Jan Wagner (D).
Das Musikprogramm eröffnet die österreichische Singer-Songwriterin Clara Luzia mit einem Solokonzert, als Abendhighlight spielt die US-amerikanische Musikerin Sophia Kennedy – erstmals in Österreich – Songs aus ihrem gefeierten Debütalbum.
Dazwischen kommen die großen Dichter des Hochmittelalters zu Wort: Unmögliche Liebe (Hanser, 2017) heißt der von Tristan Marquardt und Jan Wagner herausgegebene Band über die hohe Kunst des Minnesangs, der den Originaltexten »fantastisch unterschiedliche« Übersetzungen von zeitgenössischen Poet/inn/en gegenüber stellt.

Samstag, 2. Dezember 2017, bietet Außergewöhnliches auf dem Gebiet der Graphic Novel
Den Anfang macht der berühmte US-amerikanische Comic-Theoretiker Scott McCloud, der 2015 seinen ersten großen Comic-Roman The Sculptor (dt. Der Bildhauer) vorgelegt hat und dieses herzzerreißende Werk nun erstmals in Österreich vorstellt. Danach zeigt Bastien Vivès Arbeiten zum Festivalthema – der hochtalentierte junge französische Künstler zählt für Die Zeit bereits jetzt zurecht »zu den ganz Großen«.

Mit Craig Thompson betritt ein weiterer US-amerikanischer Star-Autor zum ersten Mal eine österreichische Bühne. Seine bahnbrechenden Graphic Novels – der 600 Seiten starke autobiografische Comic-Roman Blankets (2004) oder die fulminante epische Liebesgeschichte Habibi (2011) – zählen zu modernen Meisterwerken des Genres. Zum Abschluss des Graphic Novel Schwerpunkts präsentiert die einzigartige Ulli Lust ihren neuen Wurf Wie ich versuchte, ein guter Mensch zu sein (2017). Die FAZ schreibt über die österreichische Künstlerin: »Ulli Lust zählt mit ihrem neuen Band endgültig zur internationalen Spitze der Comic-Autobiografen.«

Der letzte Programmpunkt des Tages ist einem US-amerikanischen Autor gewidmet, der mit formaler und stilistischer Bravour die Konventionen zeitgenössischen Erzählens bricht: Mark Z. Danielewski ist mit dem vielschichtigen Roman House of Leaves berühmt geworden. Im Literaturhaus Wien spricht der Autor über sein neues Romanprojekt The Familiar. Dieses unvergleichliche literarische Abenteuer wird im Verlauf der nächsten Dekade 27 – je 880 Seiten starke – Bände umspannen; bislang sind die ersten fünf Bände bei Pantheon erschienen.

Sonntag, 3. Dezember 2017
Das Internationale Literaturfestival endet traditionell mit der Verleihung des Erich Fried Preises – wie jedes Jahr entschied auch heuer ein alleiniger Juror darüber, wer mit dem mit 15.000 Euro dotierten Preis ausgezeichnet wird. Franz Schuh hat sich für die österreichische Autorin und bildende Künstlerin Teresa Präauer entschieden. In seiner Laudatio wird er am Abschlusstag in gewohnt geschliffener Manier seine Wahl begründen und Teresa Präauer wird mit ebenso brillanter Rede antworten.

Weitere Informationen unter erichfriedtage.com