Die »Marke« Literaturhaus weiter stärken – Ein Interview

Prof. Dr. Rainer Moritz als Vorstand des Netzwerks der Literaturhäuser im Amt bestätigt.

Das Netzwerk von 14 Literaturhäuser in Deutschland, Österreich und der Schweiz wird seit sechs Jahren vom Hamburg aus betreut; die Geschäftsführung hat Ursula Steffens inne. Außerdem vergibt es einmal jährlich den Preis der Literaturhäuser. Anlaß genug, Rainer Moritz einmal genauer dazu zu befragen. Ein Gespräch mit buchmarkt.de.

Was genau ist unter dem Netzwerk der Literaturhäuser zu verstehen?

Rainer Moritz: Begonnen hat alles Ende der 1990er-Jahre. Damals kam es erstmals zu einer Zusammenarbeit zahlreicher deutschsprachiger Literaturhäuser, die seit 2002 in einem losen Verbund und seit 2008 in einem gemeinnützigen Verein unter dem Namen „literaturhaus.net“ agieren. Mittlerweile besteht das Netzwerk aus 14 Häusern, neun aus Deutschland – darunter das 1986 gegründete und damit älteste Literaturhaus Berlin –, drei aus Österreich und zwei aus der Schweiz.

Welche Aktivitäten betreibt dieses Netzwerk?

Rainer Moritz: Das Netzwerk ermöglicht es zuerst, Erfahrungen und Kontakte auszutauschen und über gemeinsame Projekte und Mittelakquisition im deutschsprachigen Raum als Literaturvermittler zu wirken. Es geht darum, die inzwischen auch international anerkannte „Marke“ Literaturhaus zu stärken und zu zeigen, wie es auch im digitalen Zeitalter möglich ist, deutschsprachige und internationale Gegenwartsliteratur zeitgemäß und innovativ zu verbreiten.
Häufig im Verbund mit unserem Medienpartner ARTE kam es in der Vergangenheit so zu großen gemeinsamen Projekten wie „August 1914. Autoren blicken auf die Städte Europas“, Lesereisen und Plakataktionen wie „Poesie in die Stadt“. Zudem stärken viele der Mitglieder unter dem Label „Junges Literaturhaus“ die Kinder- und Jugendliteratur.

Was hat es mit dem Preis der Literaturhäuser auf sich?

Rainer Moritz: Die alljährliche Verleihung dieses Preises auf dem Blauen Sofa der Leipziger Buchmesse gehört zu den zentralen Aktivitäten des Netzwerkes. Von Anfang an, als 2002 Ulrike Draesner den Preis erhielt, ging es nicht darum, den vielen existierenden Literaturpreisen einen weiteren beliebigen Preis hinzuzugesellen. Stattdessen wollen wir Autorinnen und Autoren auszeichnen, die sich im originelle Lesungskonzepte bemühen und Abende in den Literaturhäusern zu unvergesslichen Live-Erlebnissen machen. Zu den Preisträgern zählen etwa Peter Kurzeck, Judith Schalansky, Feridun Zaimoglu, Elke Erb, Sibylle Lewitscharoff, Nicolas Mahler, Ilija Trojanow oder 2016 Ulf Stolterfoht.

Wie finanziert sich das Netzwerk?

Rainer Moritz: Neben der Kooperation mit unserem Kulturpartner ARTE dürfen wir bei Einzelprojekten immer wieder auf die Förderung von Stiftungen und vergleichbarer Einrichtungen zählen. Alle Häuser leisten einen – nach Jahresbudget gestaffelten – Monatsbeitrag, mit dem unter anderem die von Ursula Steffens verantwortete Geschäftsstelle getragen wird.

Ist das Netzwerk der heimliche Drahtzieher des Literaturbetriebs?

Rainer Moritz: Sicher nicht, dazu ist der Literaturbetrieb hierzulande zu vielgestaltig und offen. Dennoch fungieren die einzelnen Literaturhäuser natürlich als „gatekeeper“; das heißt, sie versuchen durchaus auf unterschiedliche Weise zu propagieren, was sie für bedeutsame Literatur halten, welche Themen debattentauglich sind und wie sich innerhalb des dominierenden Mainstreams komplexe literarische Formen durchsetzen lassen. Wenn wir in diesem Sinne die richtigen Drähte ziehen, soll mir das recht sein.

Was war für Sie zuletzt der beeindruckendste Literaturhausabend?

Rainer Moritz: Fraglos der mit David Grossman, der seinen grandiosen Roman Kommt ein Pferd in die Bar (Hanser) vorgestellt hat – zusammen mit der Literaturkritikerin Gabriele von Arnim und dem Schauspieler Helmut Mooshammer. An diesem Abend hat man gespürt, warum wir Literatur brauchen, mehr denn je.