Mit Sprache handeln

Veranstaltungsschwerpunkt

Zu wenig gesprochen wird derzeit sicher nicht. Doch nicht die schiere Menge thesenhafter Ausrufe oder affektiver Zuspitzungen macht‘s. Die Tonlagen entlang zahlreicher gesellschaftlicher, politischer Konfliktlinien sind bisweilen unerbittlich, Wertungen allzu schnell gefällt, sensibel aufgebaute und über lange Zeit gepflegte Allianzen werden porös oder zerbrechen, Gespräche versiegen. Die starken Emotionen basieren dabei häufig auf realen Erfahrungen von Ausgrenzung und Abwertung, wie sie sich z.B. im Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus zeigen.

Die Mitglieder des Netzwerks der Literaturhäuser möchten dem Reinheitsgebot von „richtig“ und „falsch“ graugestufte Mehrdeutigkeiten zur Seite stellen, möchte unseren schnellen Urteilen den großherzigen Zweifel anhängen. Wie schwierig das ist, zeigen uns die zunehmend polarisierten Debattenkulturen und unbarmherzigen Positionierungsforderungen. Wie es indes gehen könnte, zeigen uns die Literaturen der Welt, zeigen uns Räume des Zuhörens.

Deshalb stellen wir ab sofort auf dieser Seite Veranstaltungen aus den Programmen der Literaturhäuser vor, die am Miteinandersprechen festhalten. Wir möchten Autorinnen und Autoren vorstellen, die sich einlassen, auch wenn es manchmal schwierig ist, die zuhören, auch wenn es schwer fällt, die mit dem Willen zum wechselseitigen Abwägen den Faden nicht abreißen lassen wollen.

Und wir möchten das Publikum einladen, anderen Perspektiven zu folgen, eigene Positionen zu hinterfragen, ins Gespräch zu gehen, in den Veranstaltungen oder danach und somit den Zweifel, die Offenheit lebendig zu halten und Mehrdeutigkeiten Raum zu geben. Viele Veranstaltungen sind auch als Streams verfügbar, bitte kurz nachschauen!

Aktuelle Veranstaltungen

Aufzeichnung aus dem Literaturhaus Halle
„Moral und Unmut“ – Ein Gespräch aus aktuellem Anlass mit der Autorin Anne Rabe und dem Publizisten Matthias Meisner

Raue Zeiten allerorten! Auch und gerade in Halle (Saale)im November dieses Jahres. Was in der öffentlichen Auseinandersetzung um einen „Seitenwechel“ wahlweise mit „Selbstverharmlosung“ oder schlicht „Diskursverschiebung“ umschrieben wird, ist in Wahrheit ein Kampf um Deutungshoheit bzw. ein „Kampf um die Köpfe“. Es ist kein Zufall, dass vor allem im Bereich der Literatur diese Auseinandersetzung besonders erbittert geführt wird. Der Magel an gängigen und erkennbaren Gegenkonzepten wird vielerorts beklagt. Ein Grund zum Verzweifeln? Nein – sagen zwei Autoren, die im LIteraturhaus Halle aufeinandertrafen. Und sie hatten triftige Gründe, gute Argumente und mehr als lesenswerte Bücher im Gepäck. Mehr Informationen und die Aufzeichnung des Gesprächs finden Sie hier.

Literaturhaus Frankfurt, Montag, 8. Dezember, 19.30 Uhr
Im Brennpunkt: Neurechte Literaturpolitik. Wenn die Gedanken marschieren lernen
Mit Torsten Hoffmann, Alexander Fischer und Laura Karoline Rogalski

Wir wissen zu wenig. Wir verpennen es. Literaturpolitik ist kein Nebenschauplatz. Sie ist eines der wichtigsten Aktionsfelder der neurechten Thinktanks. Das Literaturhaus wirft Licht dahin, wo es dunkelt. Literaturpolitische Aktivitäten der deutschsprachigen Neuen Rechten haben im 21. Jahrhundert in Bezug auf Umfang, mediale Formate, Reflexions- grad und Breitenwirkung ein neues Niveau erreicht: Neurechte Verlage, Zeitschriften, Blogs und Podcasts publizieren literarische Texte, geben Lektürehinweise, betreiben Literaturkritik. Dies alles geschieht vor dem Hintergrund eines metapolitischen Konzepts – man will zunächst die kulturelle Deutungshoheit gewinnen, um damit und danach politische Ziele durchsetzen zu können. Die Gäste des Abends diskutieren zu diesem Thema. Torsten Hoffmann und Alexander Fischer leiten in Stuttgart ein Forschungsprojekt zur Neurechten Literaturpolitik; Laura Rogalski befasst sich an der FU Berlin mit Kultursoziologie, Gesellschaftstheorie, Affect Studies, Praxistheorie und Rechtsextremismusforschung. Die Veranstaltung ist auch als Stream zu sehen!

Literaturhaus Stuttgart, Montag, 8. Dezember, 19.30 Uhr
Tradwives auf Heimatsuche. Die Geschichte einer Radikalisierung.
Hannah Lühmann und Mithu Sanyal in Lesung und Gespräch.

Das vom Haus der Kulturen der Welt initiierte bundesweite „heimaten Festival für die plurale Demokratie“ macht auch in Stuttgart Station: Im Literaturhaus zu Gast ist die Journalistin und Schriftstellerin Hannah Lühmann mit ihrem neuen Roman „Heimat“ – die Geschichte der Radikalisierung einer jungen, großstädtisch geprägten Mutter hin zur „Tradwife“ ruft einen Weiblichkeitsbegriff auf, der seit den 2020er Jahren durch Social Media-Influencerinnen als neuer Liftstyle präsentiert und propagiert wird und die Erfüllung von Frauen im Haushalt, der Kindererziehung und der Unterordnung unter den Mann sieht, oftmals unterfüttert von rassistischen Ideologien. Mit Hannah Lühmann ins Gespräch kommt die Schriftstellerin und Wissenschaftlerin Mithu Sanyal. Sie untersucht sowohl in ihrer Literatur als auch in ihren wissenschaftlichen Texten klug und originell Weiblichkeitsbilder, Formen sexualisierter Gewalt, Alltagsrassismus und Postkolonialismus und hat u.a. einen Beitrag für den 2019 erschienenen Sammelband „Eure Heimat ist unser Alptraum“ verfasst – eine kritische Gegenwartsanalyse aus postmigrantischer Perspektive. Ins Gespräch gebracht durch Vatan Ukaj von WERTansich(t) diskutieren die Autorinnen über Heimatkonzepte, Geschlechterblder, Sehnsucht und Illusion.

Literaturhaus Zürich, Mittwoch, 10. Dezember, 19.30 Uhr  
Down by Law – mit Joris Bas Backer und Todd Sekuler, Agata Dziuban und Aleksandra «Sasza» Stachowska
Veranstaltung in englischer Sprache

Wie Widerstand leisten, wenn der Einsatz für die Menschlichkeit und Menschenrechte in vielen Ländern zusehends kriminalisiert wird? Forscher*innen und Künstler*innen erzählen.

Der Band «Down by Law: Criminalization, Solidarity and Survival in Europe» zeigt, wie Menschen in kriminalisierten Lebenswelten handeln, Widerstand leisten und Solidarität aufbauen. Jeweils eine*e Forscher*in und ein*e Künstler*in erzählen zusammen eine Geschichte, der Band versammelt Graphic Novels zu Themen wie Abtreibung, Drogenkonsum, Seenotrettung im Mittelmeer u. a. Todd Sekuler (Universität Zürich) und der Künstler Joris Bas Backer haben gemeinsam zum Thema Hate Speech in Europa gearbeitet, Agata Dziuban (Jagiellonen-Universität Krakau) und die Künstlerin Aleksandra «Sasza» Stachowska geben Einblicke in die Sexarbeit von Migrantinnen in Polen.
Moderation: Gina Dellagiacoma
In Kooperation mit dem Institut für Populäre Kulturen an der Universität Zürich, im Rahmen des Forschungsprojekts «CrimScapes: Navigating Citizenship through European Landscapes of Criminalisation»

Literaturhaus Frankfurt, Freitag 23. Januar 2026, 19.30 h
Michel Friedman & Eva Menasse: Mensch!

Michel Friedman, der Frankfurter Autor, Publizist, Rechtsanwalt, Philo­soph und Moderator, streitet in seiner „Liebeserklärung eines verzweifelten Demokraten“ – so der Untertitel seines neuen Buches „Mensch!“ (Berlin Verlag) – für eine Gegenwart, die sich bewusster wird, woher sie kommt. Aus der Aufklärung. Demokratie ist nie statisch, sondern dynamisch, sagt der Autor. Sie lebt durch die Menschen, die ununterbrochen an ihr arbeiten. In einer Zeit, in der Demokratie und Menschenrechte von Extremisten und Auto­kraten angegriffen werden, ruft Friedman dazu auf, nicht nur mutig zu diskutieren, sondern auch zu handeln. Für das Gespräch trifft er auf die österreichische Schriftstellerin Eva Menasse. Menasse, die in Berlin lebt, ist bekannt gewor­den etwa durch Romane wie „Quasikristalle“ oder „Dunkelblum“ (KiWi), daneben aber auch durch ihr politisches Engagement. Zuletzt war Menasse Sprecherin des PEN Berlin. Karten beim Schauspiel und unter www.schauspielfrankfurt.de. Es gelten die dortigen Ermäßigungen.

Literaturhaus München, 20. Januar 2016, 19.00 Uhr 
„Was Demokratie ausmacht“. Podiumsdiskussion mit Julian Nida-Rümelin 

Er ist ein unerschrockener Kämpfer für die Demokratie, streitet für Menschlichkeit in Zeiten der Globalisierung und stärkt die Rolle von Kunst und Kultur als wichtige Motoren der Gesellschaft: Der Münchner Philosoph und Staatsminister a.D. Julian Nida-Rümelin. Demokratie müsse gelebt werden, so Nida-Rümelin, denn »ohne eine Zivilkultur des Respekts ist die Demokratie nicht lebensfähig.« In seinem neuen Buch »Was Demokratie ausmacht« (Piper) schlägt er so kritische wie hoffnungsvolle Töne an und zeigt: Trotz allgegenwärtiger Krisen bleibt die Demokratie die einzige Kraft, die unsere Gesellschaft zusammenhält. Das Buch der Stunde. Auch als Stream zu sehen!