Veranstaltungsschwerpunkt
Zu wenig gesprochen wird derzeit sicher nicht. Doch nicht die schiere Menge thesenhafter Ausrufe oder affektiver Zuspitzungen macht‘s. Die Tonlagen entlang zahlreicher gesellschaftlicher, politischer Konfliktlinien sind bisweilen unerbittlich, Wertungen allzu schnell gefällt, sensibel aufgebaute und über lange Zeit gepflegte Allianzen werden porös oder zerbrechen, Gespräche versiegen. Die starken Emotionen basieren dabei häufig auf realen Erfahrungen von Ausgrenzung und Abwertung, wie sie sich z.B. im Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus zeigen.
Die Mitglieder des Netzwerks der Literaturhäuser möchten dem Reinheitsgebot von „richtig“ und „falsch“ graugestufte Mehrdeutigkeiten zur Seite stellen, möchte unseren schnellen Urteilen den großherzigen Zweifel anhängen. Wie schwierig das ist, zeigen uns die zunehmend polarisierten Debattenkulturen und unbarmherzigen Positionierungsforderungen. Wie es indes gehen könnte, zeigen uns die Literaturen der Welt, zeigen uns Räume des Zuhörens.
Deshalb stellen wir ab sofort auf dieser Seite Veranstaltungen aus den Programmen der Literaturhäuser vor, die am Miteinandersprechen festhalten. Wir möchten Autorinnen und Autoren vorstellen, die sich einlassen, auch wenn es manchmal schwierig ist, die zuhören, auch wenn es schwer fällt, die mit dem Willen zum wechselseitigen Abwägen den Faden nicht abreißen lassen wollen.
Und wir möchten das Publikum einladen, anderen Perspektiven zu folgen, eigene Positionen zu hinterfragen, ins Gespräch zu gehen, in den Veranstaltungen oder danach und somit den Zweifel, die Offenheit lebendig zu halten und Mehrdeutigkeiten Raum zu geben. Viele Veranstaltungen sind auch als Streams verfügbar, bitte kurz nachschauen!
Aktuelle Veranstaltungen
14.5.25 – Julia Yael Alfandari & Lena Gorelik – »Trotzdem sprechen«
www.literarisches-zentrum-goettingen.de
Die greifbarste Utopie unserer Zeit liegt im Dialog – so herausfordernd er auch ist. Davon sind die Macher:innen des Sammelbandes Trotzdem sprechen (Ullstein 2024) überzeugt. Doch seit dem 7. Oktober, dem Hamas-Massaker in Israel und der Bombardierung Gazas, versiegen Gespräche, zerbrechen Allianzen, fehlen Mut und Toleranz für schmerzhafte Begegnungen. Von den Verhärtungen, von Antisemitismus und Rassismus profitiert aber vor allem einer: der Rechtspopulismus. Die Autor:innen stellen sich dem entgegen und suchen weiter das Gespräch – nachdenklich, aber entschlossen. Herausgeberinnen, Lena Gorelik, und Beiträger:in Julia Alfandari sprechen mit dem Journalisten Christian Röther über unsere Zeit.
17.6.25 – Svenja Flaßpöhler & Bernhard Pörksen – Streiten & Zuhören
www.literarisches-zentrum-goettingen.de
Harter, fairer Streit will gelernt sein – ehrliches Zuhören aber auch. An diesem Abend erkunden die Philosophin Svenja Flaßpöhler (Streiten, Hanser Berlin 2024) und der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen (Zuhören, Hanser 2025) das Spannungsverhältnis zwischen Konfrontation und Dialog und fragen nach dem richtigen Rüstzeug: Was braucht es für gute Auseinandersetzungen, was braucht es zum Zusammensetzen? Im Gespräch über ihre Bücher diskutieren sie, wie man eigene Standpunkte mutig verteidigt und dennoch Offenheit sowie Verständnis für andere Perspektiven bewahrt. Ein Abend, der neue Wege für einen konstruktiven Meinungsaustausch eröffnet, moderiert von Freundschaftsforscher Janosch Schobin.