Mit Sprache handeln

Veranstaltungsschwerpunkt

Zu wenig gesprochen wird derzeit sicher nicht. Doch nicht die schiere Menge thesenhafter Ausrufe oder affektiver Zuspitzungen macht‘s. Die Tonlagen entlang zahlreicher gesellschaftlicher, politischer Konfliktlinien sind bisweilen unerbittlich, Wertungen allzu schnell gefällt, sensibel aufgebaute und über lange Zeit gepflegte Allianzen werden porös oder zerbrechen, Gespräche versiegen. Die starken Emotionen basieren dabei häufig auf realen Erfahrungen von Ausgrenzung und Abwertung, wie sie sich z.B. im Rassismus, Sexismus oder Antisemitismus zeigen.

Die Mitglieder des Netzwerks der Literaturhäuser möchten dem Reinheitsgebot von „richtig“ und „falsch“ graugestufte Mehrdeutigkeiten zur Seite stellen, möchte unseren schnellen Urteilen den großherzigen Zweifel anhängen. Wie schwierig das ist, zeigen uns die zunehmend polarisierten Debattenkulturen und unbarmherzigen Positionierungsforderungen. Wie es indes gehen könnte, zeigen uns die Literaturen der Welt, zeigen uns Räume des Zuhörens.

Deshalb stellen wir ab sofort auf dieser Seite Veranstaltungen aus den Programmen der Literaturhäuser vor, die am Miteinandersprechen festhalten. Wir möchten Autorinnen und Autoren vorstellen, die sich einlassen, auch wenn es manchmal schwierig ist, die zuhören, auch wenn es schwer fällt, die mit dem Willen zum wechselseitigen Abwägen den Faden nicht abreißen lassen wollen.

Und wir möchten das Publikum einladen, anderen Perspektiven zu folgen, eigene Positionen zu hinterfragen, ins Gespräch zu gehen, in den Veranstaltungen oder danach und somit den Zweifel, die Offenheit lebendig zu halten und Mehrdeutigkeiten Raum zu geben. Viele Veranstaltungen sind auch als Streams verfügbar, bitte kurz nachschauen!

Aktuelle Veranstaltungen

30.1.25 – Bernhard Pörksen – Zuhören. Die Kunst, sich der Welt zu öffnen
literaturhaus.ch

Jeder Skandal, so Bernhard Pörksens These, beginnt mit fehlendem Zuhören im System. Wie lässt sich diese «Zuhör-Blockade» überwinden und zu neuer Offenheit finden? Wie erreicht man diejenigen, die man nicht mehr erreicht?

Der Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen mischt sich immer wieder in öffentliche Debatten ein und scheut auch die Auseinandersetzung mit Populisten nicht. In seinem Buch «Die grosse Gereiztheit» (Hanser 2018) analysierte er die Erregungsmuster unserer digitalen Welt und setzte sie in Beziehung mit dem grossen Geschäft der Desinformation und Dauerablenkung. Je mehr Falschmeldungen, Hass und Hetze, desto giftiger und unüberwindbarer der Streit. Sein neues Buch «Zuhören» (Hanser 2025) setzt dem etwas entgegen, denn es ist ein Plädoyer fürs Durchlässig-Sein gegenüber der Welt.

30.1.25 – Esther Dischereit: Ein Haufen Dollarscheine
literaturhaus-frankfurt.de

Esther Dischereit, Trägerin des Erich-Fried-Preises, ist eine der wichtigsten literarischen Stimmen unter Nachkommen der Shoa-Überlebenden in Deutschland. Ihr Roman „Ein Haufen Dollarscheine“ ist ein aufrührendes jüdisches Rollenbild- und Familienstück. Elfriede Jelinek sieht „in diesem reichen Buch eine jüdische Variante des Rubens’schen Engelsturzes“ und Hengameh Yaghoobifarah sagt „Diese Geschichte ist eine Zumutung. Alle sollten sie lesen“. Auch im Stream zu sehen!

4.2.25 – Eva Illouz: Stuttgarter Zukunftsrede
www.literaturhaus-stuttgart.de

Die israelische Soziologin und Autorin Eva Illouz gehört zu den bedeutendsten Denker:innen der Gegenwart, hat nach dem Überfall der Hamas auf Israel in vielen Interviews und Texten zur Situation in Israel und Palästina Stellung bezogen und die Regierung Netanjahu scharf kritisiert. Gleichzeitig verteidigt sie das Existenzrecht Israels und prangert den in der Gesellschaft aufkeimenden Antisemitismus an. Fragen wie warum Liebe weh tut, warum sie endet und wie der Kapitalismus unsere Beziehungen und Emotionen durchwirkt, untersucht sie in ihren Büchern seit vielen Jahren erhellend. Am 4. Februar 2025 hält Eva Illouz – nach Daniel Kehlmann und Liao Yiwu – die dritte Stuttgarter Zukunftsrede. Eva Illouz ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem sowie Studiendirektorin am Centre européen de sociologie et de science politique, École des hautes études en sciences sociales, Paris. Für ihr Werk erhielt sie zahlreiche Auszeichnungen, u. a. den Anneliese Maier-Forschungspreis der Alexander von Humboldt-Stiftung, sowie den Aby Warburg-Preis der Stadt Hamburg und den Frank-Schirrmacher-Preis.
Im Anschluss an die einstündige Rede kommt die Philosophin und Journalistin Catherine Newmark mit Eva Illouz ins Gespräch.

19.2.25 – Philosophisches Café – Bernhard Pörksen. Die Politik des Zuhörens und die Kunst der Offenheit
www.literaturhaus-hamburg.de

Einander zuzuhören gilt als demokratische Grundtugend. Nur selten allerdings wird sie beherzigt. Verstellt von Vorurteilen, Eigeninteressen und Ideologien, hören die meisten von uns nur die Fragen, auf die sie bereits Antworten parat glauben. Nur die Impulse, die sie bereits gutheißen. Nur die Kritik, die sie ohnehin ignorieren werden.

Was heißt es, wirklich zuzuhören? Also sich der Weltsicht eines anderen zu öffnen? Welche Mechanismen verhindern ein Zuhören, sei es im privaten oder öffentlichen Kontext? Welche Medien begünstigen ein dialogisches Miteinander, welche zerstören es?

In seinem neuen Buch »Zuhören – Die Kunst sich der Welt zu öffnen« (Hanser) entwirft der in Tübingen lehrende Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen eine Philosophie des Zuhörens in polarisierter Zeit. Wenige Tage vor der Bundestagswahl 2025 soll es im Gespräch mit Pörksen, Autor auch von Büchern wie »Die große Gereiztheit« oder »Kommunikation als Lebenskunst«, vor allem um die Konturen einer Politik des Zuhörens gehen. Und damit um das eigentliche Fundament einer demokratischen Gesellschaft.

 

8.3.25 – Bedrohte Freiheit: Von Lügen und Manipulation

Die Freiheit ist weltweit in Gefahr – für den Einzelnen wie für Gemeinschaften. Wie verhalten wir uns gegenüber Aggressoren? Was tun wir gegen Lügen und Manipulation? Der Schriftsteller Dimitrij Kapitelman im Gespräch mit der Osteuropahistorikerin Susanne Spahn. Es moderiert Ulrich Kühn.

Die Veranstaltung wrd auch als Stream zu sehen sein, der Link wird in Kürze ergänzt.

23.4.25 – Materielle Freiheit

Arbeit kann Erfüllung oder Notwendigkeit sein, bietet Geben und Nehmen, und generiert nicht selten Gewinner und Verlierer. Wer sind wir, mit oder ohne Arbeit? Die Schriftstellerin Heike Geißler im Gespräch mit der Soziologin Sabine Pfeiffer. Es moderiert Christoph Bungartz.

Die Veranstaltung wird auch im Stream zu sehen sein. Der Link wird in Kürze ergänzt.