Die Menschen in Belarus gehen seit August 2020 selbstbewusst auf die Straße, fordern freie, faire Wahlen, sind auf der europäischen Landkarte und für sich selbst sichtbar geworden, vielfarbig und vielstimmig. Weiß-rot-weiß sind die Farben der Opposition in einer Gesellschaft, die sich politisiert hat, die sich auflehnt gegen ein autoritäres Regime, die zivilen Widerstand leistet und Formen der Selbstorganisation ausprobiert. Eine Protestbewegung ist entstanden, die von starken Frauen und vielen aktiven Menschen geprägt ist und der brutalen Reaktion des Staates Woche für Woche trotzt. Die Opferzahlen sind hoch, Tausende wurden verhaftet, verletzt, schwer misshandelt, Tote sind zu beklagen.
Das Literarische Colloquium hat Mitte Januar 2021 mit den Belarus*innen gesprochen, die es am besten kennt: mit Autorinnen und Autoren und einer Übersetzerin, die in den letzten Jahren als Gäste im LCB geschrieben und gelebt haben. Viele von ihnen haben sich engagiert, sich exponiert für die Demokratiebewegung, sie mit ihren Werken und ihrer Stimme mit vorbereitet, und stehen derzeit unter enormem Druck. Entstanden ist der Digital Essay »Point of No Return – Stimmen aus Belarus«, der einen Zusammenschnitt von Texten und Gesprächen von Iryna Herasimovich, Volha Hapeyeva, Artur Klinau, Zmicier Vishniou, Alhierd Bacharevič, Julia Cimafiejeva, Viktor Martinowitsch, Irina Bondas, Andreas Rostek, Thomas Weiler, Nina Weller und Tina Wünschmann präsentiert.
Tage, in denen das herrschende Regime offenbar gezielt gegen die unabhängige Literaturszene vorgeht. Am 15. Januar 2021 wurde Volha Kalackaja verhaftet – die Übersetzerin von Autorinnen wie Virginia Woolf und Margaret Atwood war in der Protestbewegung aktiv. Die Geschäftsräume des Verlags Januškevič wurden durchsucht, der Verleger Andrej Januškevič zum Verhör einbestellt. Dasselbe widerfuhr dem Verleger Hennadz Vinniarski – vorübergehende Festnahme, 600 Exemplare des in seinem Verlag Knihazbor erschienenen Romans »Revolution« von Viktor Martinowitsch wurden beschlagnahmt. Die Stimmen aus Belarus müssen gehört werden, ihnen gehört unsere Solidarität.
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