Michael Lentz, der die Geschichte der Lautpoesie in der zweibändigen Darstellung „Lautpoesie/-musik nach 1945“ erschlossen und parallel dazu den Kontakt und die Auseinandersetzung mit großen internationalen Performancekünstlern gesucht hat, gelang damit wie kaum einem zweiten Autor der Gegenwart, die Möglichkeiten der Lesung und des öffentlichen Auftritts auszuloten und zu erweitern.
Seine Auftritte sind wuchtige, präzise inszenierte, aber nie berechenbare Konfrontationen mit unser „Aller Ding“ Sprache. „Musikalisierung, Rausch, (Selbst)Überwindung, Sprechen als Trieb(leben), Vitalisierung, Sprechen als Sport, schneller als (begriffliches) (Mit)Denken sein (wollen), sich jung fühlen, Großstadtpotpourri der Laute; Ernst machen mit dem Gerede von Geschwindigkeit als alltägliche Erfahrung, Reflex dieser Erfahrung als ästhetisches Erleben, Brainstorming, Pulsieren, außer sich sein, aus seinem Munde hervorgehen, und der ‚Volksmund’ ist mitten drin; Erinnerung an meine Herkunft“. So bezeichnet Lentz selbst die Effekte und Erkenntnisse, die seine Lesungen vermitteln – auch ihm selbst vermitteln. Denn bei aller Virtuosität des Vortrages bleibt immer spürbar, dass Lentz jeden Auftritt als Herausforderung, als Anstrengung begreift, die es sich lohnt zu unternehmen. Und dies aus dem Bewußtsein heraus, dass durch jedes Detail, jede Abweichung von der (eigenen) Erwartung schöne, erhellende, peinliche, unbekannte Momente entstehen können. Momente, in denen die existentielle Dimension, die einer Lesung wie jeder anderen Sprechsituation innewohnt – ein Mensch versucht, mit den begrenzten Mitteln der Sprache etwas als vielsagend Empfundenes zu kommunizieren – auf eine selten intensive Art erlebbar wird.
Dafür, dass Lentz in seinen Auftritten und den ihnen zugrunde liegenden Texten Existentialität, Virtuosität, Risiko, Witz, Ideenreichtum und Formbewußtsein vermittelt, zeichnen ihn die Literaturhäuser Berlin, Hamburg, Frankfurt, Salzburg, München, Köln, Stuttgart und Leipzig mit dem Preis der Literaturhäuser 2005 aus.